Art
nicht offener städtebaulicher und landschaftsplanerischer Wettbewerb

Preisgericht
12/2017

Bauherr
Doblinger Projektentwicklung GmbH

Städtebauliche Leitideen

Baufelder
Die beiden Baufelder für das Kerngebiet (MK) und das Allgemeine Wohngebiet (WA 1+2) entwickeln sich aus Gründen des Schallschutzes aus der Typologie einer Straßenrandbebauung mit (schall-) geschützten Innenhöfen, die in einer auf den Ort abgestimmten Form abgewandelt und untergliedert werden.

Erschließung
Die oberirdische Erschließung für den Fahrverkehr auf dem Baugrundstück beschränkt sich auf einen einzigen Erschließungspunkt im nördlichen Bereich zwischen dem Kerngebiet und dem WA 1 im vorgegebenen Mindestabstand zur Kreuzung an der Eggenfeldener Straße.
Der Erschließungspunkt stellt die Hauptzufahrt für Kunden und Nutzer des MK, sowie die Anliefermöglichkeit für den Markt als auch die Zufahrt zu den Kindertagesstätten mit abgrenzbarer Kurparkzone und Wendemöglichkeit sicher. Die Tiefgarage des Kerngebiets erhält eine zweite Zu- und Ausfahrt mit ausschließlich  Rechtsabbiegebeziehungen unter dem Stadtbalkon des Hochhauses zur Hultschiner Straße, um die Erreichbarkeit und Akzeptanz des Marktes zu optimieren (Die Zufahrt befindet sich im bereits halb abgesenkten Bereich des Troges). Im Übrigen sind ausschließlich TG-Zufahrten vorgesehen, die direkt von den umgebenden Straßen erschlossen werden. Die TG-Zufahrten im WA 1 und WA 2 werden jeweils mit getrennten Zu- und Ausfahrten vorgeschlagen, um die Fahrbewegungen zu entzerren.

Gliederung und Höfe
Das MK und das WA 1 sowie das WA 2 werden durch zwei Zäsuren untergliedert: Die westliche Zäsur zwischen MK und WA 1 dient im straßennahen Nordteil der  notwendigen, minimierten Erschließung der Einzelhandelsflächen sowie dem Hol- und Bring-Verkehr der Kindertagesstätten. Im südlichen, den öffentlichen Grünflächen zugewandten Bereich dieser Zäsur, ist die Freifläche der KiTa angeordnet (s.a. Lärmschutz). Die östliche Zäsur zwischen WA 1 und WA 2 dient als übergeordnete Grün- und  Freiflächenverbindung der neu zu schaffenden Grünflächen im Süden zu der bestehenden, weiterführenden Grünverbindung im Norden.

Faltung
Die Bauflucht im Süden zur Autobahn wird aufgebrochen (leichte Drehung nach SW), um eine reine Aneinanderreihung starrer Barrieren (Wall + Bebauung) zu vermeiden. Im Zusammenspiel der Bebauung mit der terrassierten Modellierung der Grünflächen entsteht dadurch eine spannungsvolle Folge unterschiedlicher Räume. Die Südseite der Bebauung wird zudem durch verglaste Lärmschutz-Loggien ergänzt, um die Belichtung und Belüftung der Wohnhöfe zu optimieren und um Durchblicke vom Innenbereich zum Grünzug im Süden zu ermöglichen. Jeder Aufenthaltsraum der Neuplanung verfügt über die Möglichkeit der natürlichen Lüftung in lärmabgeschirmte Bereiche (s.a. Lärmschutz).

Winkel, Punkt und Zeile
Die Grundstruktur der Höfe wird in die Bauformen Winkel, Punkt und Zeile gegliedert, um unterschiedliche Wohnformen und Adressen abbilden zu können: Der kleinere Punkthaustyp (2 Gebäude im Süden, 1 Gebäude im Norden) mit ca. 16 m Breite erlaubt zum Lärmschutz durchgesteckte, überdurchschnittlich attraktive Zweispänner-Typen; der größere und häufiger vorkommende ca. 22,5 m breite Punkthaustyp kann auch als Mehrspänner mit 2 bis 3(4) Wohnungen hergestellt werden. Die Bauformen Zeile und Winkel lassen auch andere, besondere Konzepte wie Laubengänge, Schottenbauweise, schmale Maisonetten oder Sonderwohnformen (z.B. für Studierende oder Auszubildende) etc. zu. Die TG-Zufahrten der Wohnbereiche sind jeweils am „Knie“ der Nordwestecke der Winkelbaukörper angeordnet.

Rückgrat
Die nördliche Bauflucht ist als klare (Straßen-) Raumkante zur Eggenfeldener Straße ausgebildet. Die in den Innenhof nach Süden orientierten Köpfe werden jeweils um ein Geschoß erhöht vorgeschlagen (Fernblick nach Süden), um die Bebauung an der Straße in der Vertikalen zu rhythmisieren und um die Hofgliederung von der Erschließungsseite aus ablesbar zu machen.

Höhenakzent

Die Möglichkeit zur Anordnung eines vertikalen Akzents wird in der südwestlichen Ecke des Baugrundstücks aufgegriffen. Aus dem Blickwinkel der Autobahn stadteinwärts entsteht zwischen dem neu geplanten Hochpunkt, dem Hochhaus des Süddeutschen Verlags und dem derzeit entstehenden Hochhausensemble am Vogelweideplatz ein Dreiecksbezug, der vom Betrachter als Torsituation bei der Einfahrt in das Stadtgebiet wahrgenommen werden kann.
Der geplante Hochpunkt wird großräumig als Pendant zum Hochhaus der Süddeutschen Zeitung verstanden, jedoch in anderer Form und Materialität sowie in deutlich reduzierter Maßstäblichkeit ausgeführt. Bei einer Annäherung über die Autobahn wird auch das derzeit entstehende Hochhaus-Ensemble am Vogelweideplatz im Hintergrund sichtbar.
Der neue, bewusst freigestellte Solitär der Planung steht kleinräumig im Schnittpunkt des südlichen Abschlusses des Marktvorfeldes mit der Sichtachse des Grünzugs südlich der geplanten Bebauung. In Bezug auf das Marktvorfeld stellt das neue Hochhaus einen zusätzlichen Lärmschutz zur Autobahn dar.

Baustruktur Kerngebiet

Das Kerngebiet wird städtebaulich durch einen winkelförmigen Hauptbaukörper zu den öffentlichen Schauseiten nach Westen und Norden gehalten. Ein untergeordneter, gegenläufiger Winkelbaukörper umschließt den Markt im Osten und Süden und schafft eine lärmgeschützte Innenhofsituation mit optimal zu Wohnzwecken nutzbaren Freiflächen über dem Markt („Marktgärten / Urban Gardening“). Das westliche Vorfeld im Bereich des Hochhauses wird als Stadtbalkon über der Hultschiner Straße ausgeformt. Im weiteren Verlauf nach Norden sucht die Platzgestaltung Anschluß an das Straßenniveau. Der Versatz zwischen MK und WA 1 an der Eggenfeldener Straße markiert die Markt-Zufahrt sowie die Einfahrt zu den öffentlichen Sondernutzungen (KiTa). Der Markt im EG wird durch kleinere Läden und möglichst auch eine  Gastronomie mit Westausrichtung ergänzt, um gestaltbare Fassaden und ein lebendiges Geschehen auf den öffentlichen Freiflächen zu ermöglichen. Das EG mit Läden, Markt und Gastronomie könnte auf der West- und Nordseite hinter die Fassadenebene der Obergeschoße zurücktreten, um alle Einrichtungen am Vorplatz im Freien witterungsgeschützt fußläufig miteinander zu verbinden.

Baustruktur Allgemeines Wohngebiet

Das WA 1+2 ist in fünf unterschiedlich dimensionierte und unterschiedlich geformte, lärmgeschützte Wohnhöfe unterteilt, die teilweise miteinander verkettet und untereinander über Wege- und Freiflächen sowie Durchgänge fahrverkehrsfrei verbunden sind. Die Wohnhöfe und deren Tiefgaragenzufahrten sind direkt vom öffentlichen Straßenraum erschlossen. Auf die Ausbildung von – denkbaren – Erschließungshöfen im Inneren der Bebauung wird bewusst verzichtet, weil die geringe Tiefe des  Baugrundstücks dies nicht erfordert, und weil es einem optimalen Lärmschutz zuwider laufen würde. Die Wohnbebauung wird, gemäß der Vorgabe, aus Gründen des Schallschutzes durchgängig mit mindestens vier Geschossen vorgeschlagen. Die straßenbegleitende Nordseite der Bebauung wird punktuell durch ein fünftes Geschoß gegliedert, das in Verbindung mit der Eckbebauung des Kerngebiets das rhythmisierte Rückgrat des Baugebiets darstellt.Die Südseite zum öffentlichen Grün wird durch Lärmschutz- Loggien, die zur Lärmquelle hin verglast und zum Innenhof hin offen sind, strukturiert. Somit können auch Aufenthaltsräume mit Lärmbelastung von Süden über die Lärmschutz-Loggien zu den lärmabgewandten Seiten natürlich belüftet werden („Licht von Süden – Belüftung zum Innenhof“).

Gestaltung der Freianlagen

Die Gestaltung der Freianlagen unterstreicht den besonderen Charakter des Quartiers. Das in Nord-Südrichtung ausgerollte Band der Freiflächen greift die von der Umgebung bestimmten Winkel in der Bodengestaltung auf. Die Wegeführung folgt den Hauptrichtungen zu den Treppenhäusern und Durchgängen, und reduziert die versiegelten Flächen auf ein Minimum. Ein Fußweg in Ost-Westrichtung zwischen beiden Quartieren verbindet die Gerstenbergstraße mit der Sieboldstraße und macht die Innenhöfe von außen barrierefrei zugänglich. Die beiden Quartiere sind auch untereinander durch einen großzügigen Durchgang verbunden. Der südliche Hof erhält eine weitere Passage zur Sieboldstraße mit Läden sowie zur Bus- und Tram-Haltestelle. Entlang der Gerstenbergstraße ermöglicht ein neuer Gehweg auf der Ostseite den Zugang für Fußgänger zu den Innenhöfen und Hauszugängen unabhängig von der befahrenen Straße. Die befestigten Flächen der Innenhöfe sind i.d.R. um ca. 60 cm angehoben, die begrünten Flächen um ca. 1,0 m. Der Höhenunterschied wird partiell als Sitzkante oder Hochbeet plastisch eingesetzt. Alle Höhenunterschiede im Freibereich werden barrierefrei bzw. rollstuhlgerecht überwunden. Jedes Quartier erhält einen Spielplatz für 0-6 Jahre in der erforderlichen Größe.

Grün- und Freiflächenkonzept

Das neue Quartier verzahnt sich mit einem öffentlichen Platz in den nordwestlich angrenzenden Bestand, weiteren städtebaulichen Entwicklungen wird dabei eine Initialstruktur geschaffen. Der Städtebau reagiert mit einer Fuge zwischen den Wohnblöcken auf bestehende Wege- und Freiraumverbindungen im nördlichen Bestand. Ziel des Freiraumkonzeptes ist es, verschiedene Freiraumqualitäten zu schaffen und zu definieren, durch sich öffnende und schließende Raumsequenzen unterschiedliche Erlebnisbereiche und Blickbeziehungen zu schaffen sowie für Nutzergruppen jeden Alters Bewegungs- und Aufenthaltsflächen bereitzustellen. Die Formensprache der Scholle ist für das Quartier einheitlich gehalten, der Freiraum untergliedert sich dabei funktional in folgende Teilbereiche:

Quartiersauftakt Stadtplatz
Als Quartiersauftakt wird ein Stadtplatz gestaltet, an den die gewerblichen Nutzungen angelagert sind. Die Fläche des Vorplatzes westlich des Marktes wird als weitgehend befestigte Fläche verstanden. Bäume beschatten und durchgrünen den Platz, ab dem frühen Nachmittag besonnte Aufenthaltsflächen sind eingestreut. Der Platz ist im  Norden bodengleich an den Straßenraum angebunden und südlich über wenige Stufen vom Straßenniveau der Hultschiner Straße erreichbar. Das Hochhaus als Solitär wird durch die Ausbildung eines Stadtbalkons zur tiefer liegenden Hultschiner Straße städtebaulich hervorgehoben. Der Stadtbalkon markiert dabei die zweite Einfahrt zur Markt-Tiefgarage. Auf der Dachfläche des Vollsortimenters im Kerngebiet sind geschützte Dachgärten für die Bewohner in den Obergeschoßen angedacht z.B. für Urban Gardening.

Innenhöfe und wohnungsnahe Freiflächen
Die Wohnhöfe sind über erdgeschossige Durchgänge sowohl untereinander als auch mit der Umgebung, insbesondere mit dem südlichen Grünzug, vernetzt. Die Erdgeschoße der Wohngebäude sind auf das Niveau + 1,0 m über dem Straßenniveau angehoben. Dies verbessert den Sichtschutz und die Privatheit der Wohnungen gegenüber den angrenzenden, öffentlichen Flächen. Die Innenhöfe sind auf dem Niveau +0,60 m geplant und von außen über Rampenbarrierefrei zu erreichen. In den Innenhöfen sind erdgeschossig private Freiflächen bzw. Wohnungsgärten vorgesehen, sowie gemeinschaftlich genutzte begrünte Bereiche, in denen Treffpunkte und  Kleinkinderspiel situiert werden können. Alle privaten Freibereiche im Erdgeschoß (auf +1,00 m) orientieren sich ausschließlich zum lärmgeschützten Innenhof oder in die seitlichen Loggien. Auf die Platzierung von privaten Freiflächen auf der Südseite wurde bewusst zu Gunsten der öffentlichen Grünflächen verzichtet. Die Überdeckung der durch Tiefgaragen unterbauten Innenhöfe wird mit mindestens 80 cm vorgeschlagen und kann in Teilbereichen durch Aufkantungen und Modellierungen auf ca. 120 cm angehoben werden, um auch die Pflanzung von Großbäumen in den Höfen zu ermöglichen.

Parklandschaft und Lärmschutzwall
Der südliche Freiraum untergliedert sich in eine ebene Parklandschaft und gestufte Plateaus, die den Lärmschutzwall als ausformuliertes Gestaltungselement mit in die öffentliche Grünfläche einbeziehen. Zur Töginger Straße (A94) ist der Lärmschutzwall steil, flächensparend und stringent linear ausgebildet. Eine Zweiteilung und Abstufung von Mauern ermöglicht eine Begrünung und landschaftliche Einbindung in den Straßenraum. Die Nordseite reagiert mit versetzten Plateaus und einer in den Raum greifenden Geländemodellierung auf die aufgebrochene Südseite der geplanten Bebauung. Für die Modellierung kann geeignetes Aushubmaterial der Baumaßnahme verwendet werden. Die gestuften Plateaus werden durch Natursteinmauern in unterschiedlicher Höhe gegliedert und gestaltet. Es bilden sich wegedurchzogene, erhöhte Aufenthaltsbereiche, Sport- und Spielflächen, Aussichtspunkte und Rückzugsräume. Angedacht ist dabei die Vegetation zur Wallkrone hin immer naturnaher auszubilden. Wohnungsnah als Rasenflächen, in höheren Lagen extensiv genutzte Blumenwiesen und an der Wallkrone einschürige Naturwiesen. Am Fuß der Schollen-Landschaft verläuft in übergeordneter Fuß- und Radweg, der an das vorhandene Wegenetz angebunden ist, und den neu entstehenden Grünzug mit dem Bestand nördlich der  Eggenfeldener Straße verbindet.

Kindertageseinrichtung

Die Kindertageseinrichtung für die drei Krippen- und drei Kindergartengruppen werden im westlichen Schenkel des WA 1 über zwei Geschoße (EG + OG) in baulich integrierter Lage vorgeschlagen. Dort ist die Kindertageseinrichtung direkt an die einzige oberirdische Zufahrt zum Baugrundstück angebunden, so dass der Hol- und Bringverkehr in einem sicheren Bereich, jenseits des öffentlichen Straßenverkehrs, in einer abgrenzbaren Kurzparkzone – mit Wendemöglichkeit und richtungsneutraler Erreichbarkeit von der Eggenfeldener Straße – abgewickelt werden kann. Ein besonders großzügig ausgebauter Zugang mit Sitzgelegenheiten und Baumreihe ermöglicht ergänzend ein sicheres und attraktives Holen und Bringen auch über die Längsparkbuchten an der Eggenfeldener Straße.
Die Freifläche der Kindertagesstätte orientiert sich nach Süden in Richtung des öffentlichen Grünzugs (s. a. Lärmschutz). Gegenüber der Marktanlieferung und dem Straßenlärm an der Eggenfeldener Straße im Norden gewährleistet ein Nebengebäude mit erforderlichenfalls erhöhter Attika die notwendige Abschirmung der ebenerdigen Freiflächen der KiTa.

Wettbewerb 2019
Goergens Miklautz Partner GmbB
als Entwurfsverfasser:
Christian Weigl, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt und Stadtplaner

als Mitarbeiter:
Camila Bellatini, M.A. Architektur
Anne Baumgartner, Dipl.-Ing. (Univ.) Landschaftsarchitektin
Vaishali Anavatti S., M.Sc. Advanced Urbanism, M.Eng. Stadt- und Regionalplanung
Ladan Badiei; M.A. Landschaftsarchitektur
Anina Frisch, Dipl.-Ing. (Univ.) Architektin
Petra Wellnhofer, Dipl.-Ing. (Univ.) Architektin

Landschaftsarchitektur
Terrabiota Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GmbH
als Entwurfsverfasser:
Johann Günther, Dipl.-Ing. (FH) Landschaftsarchitekt

Lärmschutz
Robert Ricchiuti, Dipl.-Ing. (Ingenieurbüro Greiner Part GmbB)

Modellbau
Martin Kratzer, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt (Bures + Kratzer)