Art
Nichtoffener Realisierungswettbewerb

Preisgericht
08/2018

Bauherr
Gemeinde Münsing

Städtebauliche Einbindung
Die Gemeinde Münsing hat sich ihren im besten Sinne ländlichen Charakter bis heute bewahrt. Der Entwurf orientiert sich daher an der prägenden, ortstypischen Bauweise des landwirtschaftlichen Langhauses, der die gewünschten Nutzungen (Rathaus und Bürgerhaus) in zwei klaren und eigenständigen Baukörpern abbildet.
Der westliche Baukörper des Bürgerhauses nimmt die Richtung der Straße „Am Labbach“ auf. Der östliche Baukörper des Rathauses (mit Trauungs- und Sitzungssaal) orientiert sich direkt senkrecht zur Kirche Mariä-Himmelfahrt. Die dadurch entstehende Winkelabweichung betont die Eigenständigkeit der beiden Hauptnutzungen, die auf dem oberen Straßenniveau durch ein großzügiges, gemeinsames Foyer verbunden sind.
Durch den Versatz der Baukörper in Nord- Süd- Richtung können der befestigte Rathausplatz im Norden und der Wandelgarten im Süden als eigenständige und räumlich definierte Freiräume ausgebildet werden. Der südliche Baukörper des Ideenteils (Tagespflege und / oder Seniorenwohnungen) vervollständigt die räumliche Fassung des Wandelgartens und profitiert gleichzeitig von diesem. Auch an dieser Stelle wird die landschaftstypische Bautypologie weiterverfolgt, die hinsichtlich ihrer Maßstäblichkeit mit dem östlich benachbarten Pfarrheim korrespondiert. Im Ergebnis entsteht eine einfache städtebauliche Anordnung, die dennoch klar definierte und abwechslungsreiche Freiraumabfolgen ermöglicht und sich hinsichtlich ihrer Körnung und Struktur gut in das Ortsgefüge integriert.

Adressbildung
Die drei Hauptnutzungen Rathaus, Bürgerhaus sowie die Tagespflege / betreutes Wohnen im Ideenteil sind als eigenständige Baukörper ablesbar und jeweils mit einer eigenständigen Adresse und Zugang versehen.

Grundrisskonzeption

Rathaus
Das Rathaus wird als zweibündige Anlage über zwei Ebenen vorgeschlagen, die im Erdgeschoß die besucherintensiven Nutzungen und im Obergeschoß die Hauptverwaltungsräume (Bürgermeister und Bauamt) aufnimmt. Der Trauungs- und Sitzungsaal orientiert sich im Obergeschoß zur Kirche und verfügt dort über eine großzügige Loggia (Hochzeitsfoto, Blickverbindung zur Kirche aus dem Saal). Die Loggia des Sitzungssaals kragt als Sonder- Bauelement, das die Besondere Nutzung im Inneren spürbar macht, im Obergeschoß aus. Der Rücksprung im Erdgeschoß wiederum stellt eine großzügige Verbindung zum umgebenden Wegenetz her (z.B. zum Trauerweg).

Bürgerhaus
Das Bürgerhaus ist ein über zwei Geschoße bis unter das Dach raumhaltiges Gebäude, dessen Saal das Volumen im Zentrum des Gebäudes vollkommen ausfüllt. Die Längsseiten können großzügig zum Foyer im Osten und zu einer großzügigen Freiterrasse im Westen auf Platzniveau geöffnet werden. Im Norden des Saals sind die geforderten Mehrzweckräume angegliedert (Verbindungsmöglichkeit) und ebenfalls vom Foyer erschlossen. Über den Mehrzweckräumen ist ein Raum für technische Einrichtungen (z.B. für Lüftung und / oder Medien sowie für Licht / Ton oder Projektionen) vorgesehen. Eine ergänzende Zuschauer- Empore macht den Bürgersaal auch in der Vertikalen erlebbar. Die leicht erhöhte Bühne des Saals einschließlich des Bühnenlagers ist durch einen Durchladeraufzug barrierefrei erschlossen. Das anschließende Stuhllager für den Saal wiederum befindet sich auf Saalniveau. Die teilbaren Künstlergarderoben (Herren / Damen) zur südlichen Giebelseite im Obergeschoß sind über den Aufzug ebenfalls barrierefrei an alle Ebenen des Gebäudekomplexes angebunden.

Foyer / Ausstellung
Vom verglasten Foyer sind alle öffentlichen Einrichtungen in großzügiger und übersichtlicher Weise erschlossen. Der auch für Ausstellungzwecke geeignete Raum ermöglicht Durchblicke und den Zugang vom öffentlichen Willkommensplatz im Norden zum etwas privateren Wandelgarten im Süden. Das Buffet mit umlaufender Theke ist inselartig frei in das Foyer eingestellt und kann sämtlichen Veranstaltungen und Raumkombinationen gleichermaßen gut dienen. Das Foyer kann durch Öffnung sämtlicher Tore mit dem Saal und den beiden Mehrzweckräumen zu einer zusammenhängenden Fläche für größere Veranstaltungen verbunden werden.

Zentralgarderobe / WC
Die großzügige Zentralgarderobe mit WC-Anlage ist aus dem Foyer gut auffindbar sowie barrierefrei am Haupttreppenhaus im 1. Untergeschoß untergebracht.

Fremdnutzer / Reserveflächen
Das zusätzliche Geschoß zur unteren Hangebene wird als eigenständige Adresse für die gewünschten Flächen für Fremdnutzer / Reserve genutzt. Diese Nutzungsbereiche verfügen über einen eigenen Eingang und sind barrierefrei von Süden sowie über den Aufzug mit dem oberen Platzniveau verbunden. Sie können sowohl eigenständig wie auch als selbstverständlicher Bestandteil des Rathauses fungieren.

Hausmeister
Die nach Süden orientierte Hausmeisterwohnung auf der unteren Geländeterrasse kann als eigenständige private Adresse, die sich sinnvoll mit der Senioren-Wohnnutzung im Ideenteil ergänzt, nachgewiesen werden. Die 4-Zimmer-Wohnung kann bei Bedarf in zwei Appartements aufgeteilt werden. Das Büro und die Werkstatt des Hausmeisters sind zentral unter dem Foyer in den Gebäudekomplex integriert.

Barrierefreiheit
Sämtliche Nutzungen können barrierefrei im Freien – entweder vom oberen Platzniveau oder vom unteren Gartenniveau – erreicht werden. Die sparsam mit zwei Aufzügen erschlossene Gesamtanlage ist zudem auch im Inneren vollständig barrierefrei über alle Ebenen, einschließlich der Tiefgarage, geplant.

Flexibilität
Sämtliche Funktionseinheiten – z.B. Bürgersaal, Rathaussaal, Verwaltungsbereiche, Fremdnutzer und Hausmeister – sind eigenständig erschlossen und abschließbar. Dies betrifft insbesondere auch jede einzelne Ebene des Rathauses (Zentralgarderobe, Verwaltungsebene, Sitzungsebene). Auf diese Weise sind die jeweiligen Einrichtungen auf die bestmögliche Weise flexibel nutz- und kombinierbar (auch zu den unterschiedlichen Tageszeiten).

Fassadengestaltung
Die beiden Hauptbaukörper sind in den oberirdischen Geschoßen vollständig in Holzbauweise vorgeschlagen, die den großen, klaren Baukörpern eine gewisse Wärme und regionaltypische Haptik verleihen. Dort, wo die Kuben nicht zu sehr durch notwendige Öffnungen gestört werden sollen, ergänzen offene Leistenstrukturen, die aus der Außenwandoberfläche entwickelt sind, die Fassadengestaltung. Aufenthaltsflächen im Freien werden als Loggien vollständig in den Baukörper integriert. Die gewählte Dachform ist das regionaltypische, flach geneigte Satteldach mit Schuppendeckung. Das gläserne Foyer stellt die Haupt- Baukörper bewusst frei.

Baukonstruktion / Wirtschaftlichkeit
Die oberirdischen hölzernen Bauteile sind als Holzrahmenkonstruktionen mit Fachwerkträgern aus Baubuche im Dach (besonders belastbar zur Querschnittsminimierung) auf einfache Weise in einem wirtschaftlichen und durchgehenden Raster zusammengesetzt. Die Zwischendecke sind als Hohlkastendecken vorgesehen. Die Bauweise und einfache Konstruktion ermöglichen einen hohen Wiederholungs- und Vorfertigungsgrad mit geringen Bauzeiten. Die Untergeschoße sind in Stahlbeton – ggf. in Fertigteilen – vorgesehen. Die Gesamtanlage kommt mit zwei Aufzügen (ein Aufzug für die Öffentlichkeit und ein Aufzug für die Bühnenanlieferung und Künstler) aus. Die klaren Kuben lassen eine wirtschaftliche technische Versorgung und Betrieb erwarten.

Ideenteil Nord
Es wird vorgeschlagen, das Material und / oder die Farbe des Willkommensplatzes auf die andere Straßenseite bis zum Kirchenvorfeld fortzuführen, um den Zusammenhang der Sondernutzungen – Kirche, Rathaus mit Trauungssaal sowie Bürgerhaus – auch für den durchfahrenden Verkehr spürbar zu machen und um das Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer positiv zu beeinflussen. Um zu gewährleisten, dass der Straßenbereich verkehrssicher gequert werden kann und damit er im Falle eines Trauerzuges temporär sogar gesperrt werden könnte, wird vorgeschlagen, den bestehenden westlichen Masten der Lichtsignalanlage vor der Kirche bis an die Einfahrt der Straße „Am Labbach“ zu versetzen. Auf diese Weise wäre der gesamte dortige Straßenabschnitt in Zukunft flexibel elektronisch regelbar.

Ideenteil Süd
Der vorgeschlagene Baukörper mit der geforderten Grundfläche wird so angeordnet, dass der Wandelgarten des Ortszentrums einen räumlichen Abschluss nach Süden erhält und gleichzeitig eine gute Wegeverbindung in Ost-West-Richtung (Pfarrheim, Schule) ermöglicht. Der leicht gegenüber den südlich geplanten Carports erhöhte Seniorengarten gewährleistet ausreichend Privatheit gegenüber den Erschließungsflächen und öffentlichen Freiräumen. An der westlichen Kopfseite des Baukörpers sind die zugeordneten oberirdischen Stellplätze nachgewiesen, deren Zufahrt gleichzeitig als Anlieferfläche für das Bürgerhaus dienen könnte.

Freianlagen

Rathausplatz
Durch die Gebäudeanordnung entstehen nördlich und südlich der Bebauung jeweils räumlich klar definierte Freiräume. Der nördliche – steinerne – Platz erstreckt sich über die Straße hinweg bis zur Kirchentreppe als Pflasterbelag im wilden Verband. Durch die richtungslose Verlegeart könnte unkompliziert auf alle bestehenden Richtungsvorgaben durch Mauern oder Gebäude reagiert werden und es entstünde ein homogener Belagsteppich, der den Platz vor der Kirche mit dem neuen Rathausplatz verbindet. Da auch der Straßenabschnitt, der zwischen diesen Plätzen situiert ist, in Pflaster ausgebildet werden könnte, würde der Pkw-Fahrer durch den Belagswechsel von Asphalt zu Pflaster aufmerksamer und der Verkehrsfluss insgesamt entschleunigt werden, was querenden Fußgänger zugute käme.
Der neue Rathausplatz wird nach dem historischen Vorbild der „Gerichts- und Tanzlinde“ mit einem Solitärbaum an der höchsten und somit prominentesten Stelle des Platzes vorgeschlagen. Ein erhöhtes Wasserbecken dient als Sitzgelegenheit und Treffpunkt – so wie es einst der Dorfbrunnen war, der als Wasserquelle für Vieh und Mensch, aber auch als Treffpunkt und Austauschgelegenheit diente. Mit diesen beiden Elementen erhält das neue Bürgerzentrum ein prägnantes Vorfeld und gleichzeitig einen zentralen Anziehungspunkt: An der Kaiserlinde könnten z.B. temporäre Verkaufsstände tageweise ihre Waren anbieten.

Wandelgarten
Der südliche Freiraum wird im Gegensatz zum steinernen Platz im Norden als kleine öffentliche Grünfläche vorgeschlagen. Der klassische Bauerngarten wird hier als historisches Leitmotiv herangezogen. Die historische, relative Strenge eines Bauerngartens wird jedoch in eine offenere orthogonale Formensprache übersetzt. Dadurch werden kleine Nischen geschaffen, die zum Aufenthalt einladen, Bäume und Pergolen spenden Schatten. Der neue Dorfgarten kann als Fläche für kleinere Feste, für Trauungsfotos, als Wandelgarten für das südliche Solitärgebäude oder einfach als grüne Dorfmitte genutzt werden.

Höhensituation
Das Niveau des steinernen Platzes im Norden wird bis zum Foyer beibehalten. Auf der Westseite des Bürgerhauses wird ein Balkon vorgeschlagen, der über eine Treppe auf das anstehende Gelände der Straße führt. Auf der Südseite des Foyers mit vorgelagerter Terrasse führt eine Außentreppe auf das Niveau des Wandelgartens. Die Ostseite des Rathauses folgt dem Geländeverlauf.

Wegeführung
Der Trauerweg führt von der Kirche über den Rathausplatz nach Osten und wird östlich des Rathauses nach Süden bis zum Friedhof geleitet. Für die Schulkinder besteht von Norden kommend die Möglichkeit, die Weipertshausener Straße an der verlegten Ampel verkehrssicher zu kreuzen. Von Osten kommend führt der Schulweg beidseits der Tagespflege zum Südeingang der Schule.

Wettbewerb 2019
Goergens Miklautz Partner GmbB
als Entwurfsverfasser:
Rudolf Miklautz, Dipl.-Ing. (Univ.) DWB Architekt
Christian Weigl, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt und Stadtplaner
Anne Baumgartner, Dipl.-Ing. (Univ.) Landschaftsarchitektin

als Mitarbeiter:
Beatrice Kössl, Dipl.-Ing. (FH) Innenarchitektur
Vaishali Anavatti S., M.Sc. Advanced Urbanism, M.Eng. Stadt- und Regionalplanung
Natalie Grotz, Landschaftsarchitektin
Serena Savi, Dottoressa in architettura Classe LM-4 (DM270)

Modellbau
Martin Kratzer, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt (Bures + Kratzer)